Du spielt mit dem Gedanken, einen Ranchstay in Kanada, Neuseeland oder Australien zu machen? Im heutigen Blogbeitrag haben wir unsere Farmstay-Teilnehmerin Paula nach ihren Erfahrungen und Gedanken rund um das Thema Farmarbeit in Kanada und nach ihren Tipps für zukünftige Teilnehmer gefragt. Sie selbst verbringt ihre Freizeit am liebsten mit ihrem Hund, ihrer Reitbeteiligung oder ihren Freunden und liebt den Schnee, das Winterwetter, das Schreiben und das Reisen. Auf Paulas Blog Find me in Winterland kannst du alles über ihre Zeit auf einer Pferderanch in der Nähe von Edmonton, Alberta, Kanada nachlesen. Viel Spaß beim Lesen!
Fragen an Paula
1. Wie bist du auf das Thema Farmarbeit in Kanada gekommen?
„Ich war schon immer absolut begeistert von Tieren, ganz besonders von Pferden. Diese Faszination hat sich über all die Jahre gehalten und war sicherlich einer der Hauptgründe, warum sich diese Idee mit der Zeit in meinem Kopf geformt hat. Tatsächlich hatte ich dieses Vorhaben für die letzten drei Jahre, bevor ich es dann nach dem Abi endlich in die Tat umsetzen konnte.
Zudem bin ich in der Stadt aufgewachsen und habe mich nach Abwechslung gesehnt. Ich war neugierig, wie es ist, so ländlich zu leben – mit mehr Tieren und Natur als Menschen um mich herum. […] Ein weiterer Punkt war, dass ich gehofft habe, dadurch einige wichtige Lifeskills zu erwerben und einen großen Schritt in Richtung Selbstständigkeit zu machen. Am Ranchstay in Kanada hat mich natürlich auch die Cowboy-Kultur mit ihrer anderen Reitweise und einem anderen Mindset gereizt.“
2. Wie lief deine Matching-Phase ab?
„Nachdem ich alle Bewerbungsunterlagen eingereicht und noch ein Telefongespräch mit Ayusa-Intrax hatte, in dem unter anderem vorab ein bisschen meine Englisch-Skills getestet wurden, hat die Organisation die Verbindung zur kanadischen Partnerorganisation hergestellt. Ich hatte ein nettes Skype-Gespräch (vor dem ich natürlich trotzdem ultranervös war), in dem es noch einmal ums Sprachvermögen, aber insbesondere auch um die persönlichen Wünsche und Vorstellungen ging, sodass sie danach eine passende Farm finden konnte.
Als es endlich soweit war, habe ich das Profil der Ranch zugeschickt bekommen. Auf dessen Basis und der Website habe ich nach einem Skype-Telefonat mit der Farmerin zugesagt. Da das auf Gegenseitigkeit beruht hat, erfolgten anschließend alle weiteren Absprachen. Danach standen eigentlich nur noch etwas Papierkram und das Abschließen einer Auslandsversicherung zwischen meinem Traum und mir.“
3. Wie sah ein typischer Tag auf der Pferderanch in Kanada für dich aus?
„Auf der Farm gab es zwar viele Pferde, daneben jedoch auch eine Menge anderer Tiere. Ich habe morgens meistens um halb neun angefangen zu arbeiten. Als erstes habe ich die Hunde aus ihren Zwingern gelassen, Eier gesammelt, gewaschen und in Kartons verpackt und die Hengste sowie einige ältere Pferde gefüttert.
Die Aufgaben bis zum Abend haben variiert. Häufig hatten wir Zäune zu flicken, ich habe Sattelzeug geputzt, im Garten gearbeitet, Heuballen gestapelt, Wassereimer gefüllt, Futterbehälter gewaschen und von Mäusedreck befreit, den Flur und das Haus gefegt, Rasen gemäht, Laub aufgesammelt, Zäune gestrichen, Wassertanks und ähnliches repariert, die Arena mit dem Quad geharkt, Holz geholt und regelmäßig den Hühnerstall sowie die Hundezwinger gesäubert. Anfang September haben wir Honig produziert und später kam die Ernte der Gärten hinzu. Die Aufgaben hingen natürlich auch zu einem gewissen Maß mit den Jahreszeiten und dem Wetter zusammen.
Abends habe ich gegen halb acht als letztes die Hunde gefüttert, für die Nacht in ihre Zwinger gebracht und die Hengste noch einmal mit Heu versorgt. Danach war ich in der Regel ziemlich kaputt und bin bald schlafen gegangen, auch wenn die meisten Aufgaben Spaß gemacht haben und ich viel dazulernen konnte.“
4. Wie gut sollte man sich als Teilnehmer auf einer Ranch mit Pferden auskennen?
„Ich würde sagen, dass das von Ranch zu Ranch verschieden ist. Manchen geht es nicht so sehr darum, dass man gut reiten kann, sondern vor allem darum, z.B. Spaß auf Trailritten zu haben. Andere legen vielleicht mehr Wert auf die Betreuung von Gästen (Guest Ranches), wobei selbstverständlich mehr Verantwortung getragen wird und man selbst sicher im Umgang mit Pferden sein sollte. In meinem Fall hatten die Farmer sehr hohe Erwartungen, sowohl die Fähigkeiten im Umgang als auch beim Reiten betreffend. Ab und zu habe ich Reitstunden bekommen, ich habe die Westerndisziplin „Cutting“ gelernt, weil die Farmer Hilfe beim Rindertreiben brauchten.“
5. Wie kamst du mit der Sprache zurecht?
„Ich hatte mit dem Englisch eigentlich überhaupt kein Problem. Im Gegenteil, ich habe es genossen, den ganzen Tag von dieser wunderbaren Sprache umgeben zu sein und insbesondere meine Umgangssprache um Alltagsvokabular zu erweitern. Dabei habe ich sicher auch die eine oder andere kanadische Eigenheit übernommen, zumindest wurde mir das später gesagt. Ich hatte nie große Scheu, Englisch zu sprechen und habe eigentlich durchweg die Erfahrung gemacht, dass die Einheimischen sich eher freuen und nicht an kleineren grammatikalischen oder Aussprachefehlern stören. Kanada ist ja generell sehr multikulturell.“
6. Wie viel Freizeit hattest du?
„Das Thema Freizeit war tatsächlich etwas, was mich auf Dauer doch ziemlich gestört hat. Ich hatte nämlich so gut wie keine, vor allem nicht die ersten Monate. Wenn ich Zeit brauchte, um meinen Kram zu machen oder einfach Mal eine Weile alleine für mich zu sein, habe ich dafür in der Regel Schlaf geopfert. Tatsächlich hatte ich während meines gesamten Stays keinen einzigen Tag frei.“
7. Wie gut warst du in die Farmerfamilie integriert?
„An sich habe ich schon sehr viel mitbekommen – allerdings würde ich sagen, dass ich nicht immer unbedingt integriert, sondern vielmehr involviert gewesen bin. Ich beschwere mich nicht – wir haben wirklich einiges zusammen unternommen und die Farmer haben mir viel beigebracht – trotzdem habe ich mich letztendlich nicht wirklich als Familienmitglied gefühlt. Das ist in Ordnung, war aber doch etwas schade, da das im Vorhinein prinzipiell mein zentralster Wunsch gewesen ist. Allerdings hatte das wohl zum größten Teil einfach mit der Gesamtsituation vor Ort zu tun.“
8. Worüber sollte man sich vorher unbedingt bewusst sein?
„Ich denke neben all der Vorfreude ist es wichtig, sich bewusst zu machen, dass Farmarbeit in Kanada keinen Klischees folgt. Insbesondere die wirklich harte körperliche Arbeit und das isolierte Leben auf der Farm könnten anderenfalls die eigenen Erwartungen enttäuschen.
Ein anderes Thema sind politische (europäische) Überzeugungen, mit denen man eventuell schnell mal anecken könnte. Manche Themen habe ich, obwohl ich normalerweise absolut für Diskussionen zu begeistern bin, irgendwann lieber ruhen gelassen. Gerade in Provinzen wie Alberta mit einem sehr starken Industriesektor und dementsprechenden regionalen Interessen, sind die Meinungen vieler doch sehr gefestigt (z.B. bzgl. des Klimawandels). […] Und dennoch hatte ich einige interessante Gespräche, die Einblicke in die Denkweise der Farmer gegeben und meinen politischen und gesellschaftlichen Horizont erweitert haben.“
9. Welche persönlichen Eigenschaften sollte man als Teilnehmer mitbringen?
„Ausdauer und Durchhaltevermögen sind sicherlich essenziell wichtig, genauso wie eine gute physische Verfassung (Fitness). Darüber hinaus sollte man etwas Geduld aufbringen können und insbesondere eine hohe Lernbereitschaft, Fleiß und Interesse zeigen. Bei der Farmarbeit in Kanada trägt man viel Verantwortung, vor allem gegenüber den Tieren, aber auch den anderen Menschen. Da ist es unerlässlich mitzudenken, diszipliniert und selbstständig zu sein. Bei alledem sollten aber in meinen Augen immer noch Spaß, Motivation und Neugierde im Mittelpunkt stehen.“
10. Wie bist du mit Heimweh umgegangen?
„Ich muss sagen, dass ich zu meiner eigenen Überraschung erstaunlich gut zurechtgekommen bin. Ich glaube, es war gut, dass ich zuvor eine Woche in Vancouver verbracht habe, um mir ein bisschen Zeit zu geben, mich zu akklimatisieren und den Jetlag zu verarbeiten – zunächst ohne weitere Verpflichtungen. Es hat mir zudem schon einmal gezeigt, dass ich mich alleine zurechtfinden kann.
Mein Heimweh hat sich ziemlich in Grenzen gehalten. Klar, Geburtstage oder ähnliches haben mich manchmal mehr an Zuhause denken lassen und teilweise war es schwer, dann nicht dabei zu sein. Das Leben geht schließlich überall weiter. Aber es war nie so, dass ich früher als geplant zurück nach Hause wollte. Ich habe mir schon in Vorbereitung auf die Reise gesagt, dass es auch schwere Tage geben wird.“
11. Dein absolutes Highlight auf der Pferderanch in Kanada?
„Für mich als Winterliebhaberin war der erste Schnee auf jeden Fall ein Höhepunkt, insbesondere ein Schneeritt über die umliegenden Felder. Meinen letzten Ausritt habe ich ebenfalls sehr genossen, der Sonnenuntergang hat mit seinem goldenen Licht und den Wildgräsern eine magische Atmosphäre kreiert. Das Cutting war zudem eine supertolle Erfahrung – das ist wirklich Cowgirl-Feeling pur. Genauso wie der Besuch eines Rodeos an einem meiner ersten Wochenenden.
Ansonsten waren die Himmel in Alberta schlichtweg atemberaubend schön und als ich das erste Mal in meinem Leben Polarlichter gesehen habe, konnte ich mein Glück kaum fassen. Ein weiteres Highlight war der Garten: Es ist toll, sämtliche Rezeptzutaten frisch ernten zu können und sogar selbst hergestellten Honig und Eier von der Farm zu haben!“
12. Dein ganz persönliches Fazit über die Farmarbeit in Kanada?
„Vieles ist vielleicht nicht ganz rund gelaufen und an manchen Tagen hatte ich Momente der Verzweiflung – dennoch habe ich keine Sekunde lang meine Entscheidung für die Farmarbeit in Kanada bereut. Ich wollte diesen Schritt in erster Linie machen, um Erfahrungen zu sammeln. Und an meinen Aufgaben und allen anderen Herausforderungen zu wachsen. Und das habe definitiv! Ich fühle mich ein ganzes Stück selbstständiger, der Stay hat mir mehr als nur gezeigt, dass ich mir selbst und meiner Fähigkeit, auch alleine zurechtzukommen, vertrauen kann. Darüber hinaus habe ich mich in Geduld, dem Reflektieren von Menschen und Situationen sowie dem Aushalten von Konflikten geschult und jede Menge neue Fähigkeiten und Wissen erworben.
Und dafür bin ich unglaublich dankbar, diese Erfahrungen hätte ich auf anderem Wege kaum machen können. So habe ich nicht nur Fotos, Videos, Souvenirs und Schätze von den zahlreichen Garage Sales und Thrift Shops, sondern auch ein umfangreiches Repertoire spannender, lustiger, skurriler und vielleicht auch ein paar trauriger Geschichten im Gepäck – missen möchte ich keine einzige davon!“
Vielen Dank an Paula für die ausführlichen und ehrlichen Antworten und Einblicke in die Farmarbeit in Kanada! Falls du neugierig geworden bist und nähere Informationen über einen Farmstay Kanada, Neuseeland oder Australien wünschst, schau doch einmal auf unseren Programmseiten vorbei oder kontaktiere uns unter worktravel@intrax.de oder ruf an unter der +49 30 84 39 39 94.