Im heutigen Gastblogbeitrag erzählt unsere Kanada-Austauschschülerin Julia, wieso Sport in Nova Scotia einen enorm großen Stellenwert besitzt und welche Möglichkeiten es gibt, an der High School verschiedenen Teams beizutreten. Wer mehr über Julias Zeit in Nova Scotia lesen möchte, sollte einmal auf ihren Blog vorbeischauen.
Mittwochnachmittag, 15:30: Ich stehe neben fünf wirklich sehr fit aussehenden Läufern an der Startlinie auf einem Leichtathletik-Platz. „Try-outs sind nicht schlimm“, haben sie gesagt. „Das ist doch super, wenn du mal neue Sportarten ausprobierst!“. Ja, und da stehe ich nun mit schwitzigen Händen und zitternden Knien. Ich weiß wieder ganz genau, warum ich Sportunterricht nie mochte. Doch dieses eine Probetraining sollte mir später nicht nur Freundschaften und eine verdammt coole Zeit mit einem Team, sondern auch die Liebe zum Laufen bescheren. Gerade den internationalen Schülern fällt es generell etwas schwer, sich in die kompetitiven Teams zu trauen. Aber es lohnt sich wirklich sehr, diesen Schritt zu machen.
Sport in Nova Scotia ist ein großer Bestandteil der Kultur. Hockey ist dabei Nationalsport. Der Sport wird ungefähr so ernstgenommen wie in Deutschland die Fußball-WM. Man feuert an, man schreit, jubelt und flucht ordentlich. In der Schule sind die Listen zur Anmeldung für das Probetraining, egal welcher Sportart, voll mit Namen. Wenn man wollte, könnte man jede Woche zu mindestens einem Sportevent gehen und das Schulteam anfeuern. Kurz um, jeder macht Sport, jeder liebt Sport und jeder hat eine Meinung dazu. Doch was genau macht Nova Scotia zu so einer sportliebenden Region?
Sport in Nova Scotia: Alles Hockey?
Am östlichen Ende des Annapolis Valleys und circa 66 Kilometer von Halifax entfernt liegt eine kleine Ortschaft namens Windsor. Das Ortsschild für die dazugehörige Highway-Ausfahrt trägt den Slogan „Little Town of Big Firsts – Birthplace of Hockey“. Mag man den Einheimischen Glauben schenken, dann spielten hier zu Beginn des 19. Jahrhunderts Schüler der King’s Edgehill Schule die erste Form der heutigen Nationalsportart Kanadas. Windsor ist nicht die einzige Stadt, die das von sich behauptet. Dennoch trägt das auch hier zum Regionalstolz bei und macht Hockey nur noch populärer.
Auch in der Schule kommt man nicht um die Sportart drumherum. Die Teamlisten hängen öffentlich aus, Pokale stehen in Glasvitrinen, in der Cafeteria stolpert man über schwere Hockeytaschen. Hin und wieder fehlt die Hälfte der Schüler einer Klasse wegen der zahlreichen Auswärtsspiele. Dass man zu den Spielen der Schulmannschaften geht ist selbstverständlich. Das Mädchen- sowie das Jungs-Team erfreuen sich regelmäßig hoher Zuschauerzahlen und werden für ihre Erfolge gefeiert. Traditionell tragen die Spieler Anzüge beziehungsweise schickere Kleider an Spieltagen in der Schule, was neben den typischen Teamjacken ein großes Erkennungsmerkmal darstellt.
Lesetipp: Unsere Programmkoordinatorin Jana aus dem High-School-Team hat unsere Partnerorganisation in Nova Scotia und einige Schulen vor Ort besucht und ihre Eindrücke in einem interessanten Bericht festgehalten.
Von Ausdauerlauf bis Yoga
Wenn um 15:10 Uhr die Schulklingel die Unterrichtszeit beendet, läutet sie an der kanadischen High School gleichzeitig das Nachmittagsprogramm ein. Dieses hat es ganz schön in sich. Die Sportarten reichen von Hockey über Cross Country bis hin zum Cheerleading. Training findet meist dreimal pro Woche für mehrere Stunden statt. Ich selbst hab es mit meinem Laufteam bis zu den Cross Country Provinz-Meisterschaften geschafft, aber die Konkurrenz ist hier wirklich unfassbar groß.
Das vor allem wettkampforientierte Programm gewinnt aber gerade durch Schulrivalitäten an Beliebtheit. Man trainiert, um die andere Schule zu schlagen und die Ziellinie in den Schulfarben zu überqueren und das Jubeln der restlichen Mannschaft zu hören. Es gibt also viele Gründe, warum ich jedem den nervenaufreibenden Prozess der Try-outs empfehlen würde, trotz Schweiß und Muskelkater. Sport ist hier für das Gruppengefühl da, für Freundschaften, Teamgeist und Adrenalin. Und ja, auch nicht zuletzt für die Stipendienvergabe der Universitäten.
All diese Sportarten haben natürlich auch eine lange Tradition. In vielen Familien war zum Beispiel schon die Urgroßmutter Kapitänin des Ringette-Teams. Bei Ringette handelt es sich übrigens um eine weitere Traditionssportart Kanadas. Diese unterscheidet sich von Hockey im Regelwerk und in der Tatsache, dass man Ringette mit Gummiringen und längeren Stöcken statt mit Puck und Hockeyschläger spielt.
Durch das hohe Maß an Tradition sind dann auch die Erwartungen an die Schüler, die die Sportart ergreifen, dementsprechend hoch. Die Zuschauertribünen bei High School Football oder bei Rugby-Spielen werden trotz Kälte, Nässe und ungemütlicher Bänke zu großen Teilen von Familienmitgliedern besetzt. Es ist ganz selbstverständlich, dass sie ganz stolz Fotos machen, Schilder hochhalten und jubeln.
Hoffnung auf ein Stipendium
Sport in Nova Scotia wird nicht nur in den AGs am Nachmittag ausgeführt. Auch das schulinterne Curriculum setzt sportliche Aktivität voraus. Das bedeutet, dass neben herkömmlichem Schulsport auch Tanz und Yoga einen Platz im stressigen Schulalltag finden. „Auch als Ausgleich zum stressigen Alltag ist Sport wichtig“, sagt meine Lauftrainerin, als ich sie darauf anspreche. Sie hat jahrelang Erfahrung mit den Schülern gemacht, die neben Hausaufgaben, Tests und Unterricht auch noch arbeiten müssen.
Universitäre Bildung in Kanada ist teuer, man bezahlt hier gut und gerne mal 10.000 kanadische Dollar im Jahr – Essen und Unterhalt noch nicht mit inbegriffen. Deshalb sind Sportstipendien besonders attraktiv und der Ausgleich zum Arbeitsalltag wichtig. Manche meiner Klassenkameraden haben über die Teams hinaus kaum soziale Kontakte, dank Hausaufgaben und den Stunden hinter der Kasse eines örtlichen Fastfood-Restaurants.
Sport in Nova Scotia fördert den Zusammenhalt
Wie bereits erwähnt, ist Bewegung ein wichtiger sozialer, gesundheitlicher und auch kultureller Aspekt des Lebens in Nova Scotia. Was aber gerade interessant ist, ist die Anpassungsfähigkeit der Menschen hier an das doch eher launische Wetter. Im Winter gehen die Temperaturen auch mal auf -20°C runter. Die Seen frieren zu, die Eisstadien brauchen kaum Energie für die Eisflächen und schon landen die ersten zwanzig Namen auf der Try-out-Liste für Eishockey, Curling, Eiskunstlauf und Ringette.
Gleichermaßen saisonal sind dementsprechend aber auch Rugby, Football, Cross Country und alle weiteren Sportarten, für die es eben nicht so kalt sein darf. Hier betreibt jeder meist mehr als nur eine Sportart, zum Beispiel Football im Herbst, Hockey im Winter und Leichtathletik im Sommer. Der Zusammenhalt der Teams ist dennoch immer gleich stark und stellt so auch den wichtigsten und somit finalen Grund der Liebe zum Sport dar: Sport in Nova Scotia ist etwas, das alle verbindet. Jeder kennt es, jeder liebt es und ja – jeder hat auch eine Meinung dazu.
Du interessierst dich für einen Schüleraustausch in Nova Scotia? Dann informiere dich auf unserer Website zum Thema und stell uns deine Fragen einfach und direkt unter der +49 30 84 39 39 93 oder schick uns eine Email an highschool@intrax.de.